Sparpotenzial und Vorsorgelücke

Welche Haushalte ausreichend für das Alter sparen (können) und wo das Potenzial fehlt


Um im Ruhestand ausreichend versorgt zu sein, empfiehlt der Gesetzgeber seit den Rentenreformen der Jahrtausendwende ergänzend zur umlagefinanzierten gesetzlichen Rente mehr kapitalgedeckte Altersvorsorge. Haben die Haushalte in Deutschland hinreichend Spielräume, um zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben?

Sparpotenzial, Sparmotive und Altersvorsorgelücke

Informationen zum Sparpotenzial der Haushalte werden auf Basis der Daten zur Ersparnisbildung der EVS gewonnen.[1] Es wird angenommen, dass die statistisch ausgewiesene Ersparnis das maximale Sparpotenzial abbildet. Eine Vorsorgelücke besteht, wenn der zuvor hergeleitete Sparbedarf größer ist als das Sparpotenzial bzw. der Anteil der Ersparnis, welcher der zusätzlichen Altersvorsorge dient. Sind die Sparbemühungen größer als der Sparbedarf, entsteht rechnerisch keine Vorsorgelücke. Die Haushalte bzw. die Personen in den betrachteten Haushalten verfügen über ausreichend Vorsorgepotenzial, ob sie es faktisch für die Altersvorsorge nutzen, kann hier nicht beantwortet werden.

Haushalte sparen im Durchschnitt gut 14 Prozent ihres Nettoeinkommens

Im Durchschnitt sparen alle Haushalte rund 530 Euro monatlich. Dies entspricht einer äquivalenzgewichteten Ersparnis von 360 Euro. Daraus resultiert eine „Sparquote“ gemessen am Haushaltsnetto­einkommen von etwa 14,3 Prozent. Allerdings variiert die Ersparnis zwischen den unterschiedlichen Haushaltstypen erheblich.

Paare mit Kind(ern) sparen mit rund 500 Euro monatlich absolut am meisten (pro Person). Paare ohne Kind liegen knapp über dem Durchschnitt aller Haushalte, Alleinerziehende und Alleinlebende legen mit rund 110 bzw. 240 Euro am wenigsten monatlich zur Seite. Differenziert nach Einkommen wird deutlich, dass Personen im 1. Einkommensquartil, mit Ausnahme von Paaren mit Kind(ern), rechnerisch keine Möglichkeit haben privat vorzusorgen. Die Ersparnis dieser Personen ist bereits negativ.

23 degrees

Interactive graph will be embedded here

(You need a Pro Account from 23degrees.io to publish publicly.)

Ersparnis bzw. Sparpotenzial nach Haushaltstypen und Einkommen

Naturgemäß steht nicht die gesamte Ersparnis der Haushalte für die Altersvorsorge zur Verfügung. Es gibt eine Vielzahl von Sparmotiven, aus denen die Haushalte Geld zurücklegen bzw. anlegen. Sie betreffen neben der Altersvorsorge insbesondere auch das Sparen für

  • Notsituationen
  • Anschaffungen
  • Immobilienkauf und -sanierung
  • Kinder/ Enkel:innen. 

Jeder 5. Euro für die Rente?

Die Ersparnisse für die anderen Sparmotive dürften bis zum Renteneintritt in der Regel wieder verausgabt werden oder zur Deckung des Altersvorsorgebedarfs nicht bzw. nur indirekt verfügbar sein (z. B. weil sie in selbst bewohnten Immobilien gebunden sind). Repräsentative Umfragen zeigen, dass die Bedeutung von Altersvorsorge als wichtigstes Sparmotiv seit 2010 gesunken ist. Gleichwohl ist für knapp 30 Prozent der Befragten in der Altersgruppe 45 bis 65 Jahre die Altersvorsorge weiterhin das wichtigste Sparmotiv. Dabei ist zu beachten, dass das "wichtigste Sparmotiv" keine direkte Information darüber gibt, wie groß der Sparanteil für dieses Sparziel ist. Aufgrund der vielfältigen Sparmotive ist davon auszugehen, dass die Ausgaben für die Bildung von Ersparnissen nur teilweise in die Altersvorsorge fließen. Um dies zu berücksichtigen, wird zunächst angenommen, dass ein Fünftel der äquivalenzgewichteten Ersparnisse der Haushalte dem Ziel der Altersvorsorge dient (AV-Ersparnis). Nach dieser Annahme stehen die genannten Sparmotive gleichberechtigt nebeneinander und werden zu gleichen Teilen bedient.[2] Im Anschluss wird die Altersvorsorge priorisiert und der Sparanteil hierfür schrittweise erhöht.

AV-Ersparnis vielfach zu gering

Im Fall der AV-Ersparnis von 20 Prozent der Gesamtersparnis wird der Sparbedarf in keinem Fall gedeckt. Das bedeutet, dass über alle Einkommensquartile und Haushaltskonstellationen hinweg zu wenig für die Altersvorsorge gespart wird.

Die interaktive Tabelle zeigt, dass in der Spalte "20 %" alle Felder rot sind. Dies bedeutet, dass für alle Haushaltskonstellationen der für Altersvorsorge aufgewendete Ersparnisanteil nicht ausreicht, um den Sparbedarf zu decken und im Ruhestand ein "Rentenniveau" von 55 Prozent zu erreichen.

Um zu prüfen, wie stark die AV-Ersparnis ausgeweitet werden müsste bzw. in welchen Fällen überhaupt das Potenzial zu einer Ausweitung besteht, wird der Sparanteil für Altersvorsorgezwecke stufenweise erhöht.

Die Tabelle zeigt, in welchen Fällen die Sparbemühungen ausreichen würden, wenn die private Altersvorsorge als Sparmotiv an Bedeutung gewinnen würde. Bei einer Verdoppelung des Ersparnisanteils auf 40 Prozent verändert sich das Bild kaum. Nur für Paare mit Kind(ern) ist die AV-Ersparnis in diesem Fall größer als der Sparbedarf (30 Euro monatlich).

Unter der Annahme, dass die gesamte Ersparnis der privaten Altersvorsorge dient ("100 %"), ist das Sparpotenzial für Personen aus allen Haushaltskonstellationen ausreichend hoch.

Unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse wird jedoch deutlich, dass der Sparbedarf von Personen im 1. und 2. Quartile selbst bei der Umwidmung der gesamten Ersparnis für Altersvorsorgezwecke überwiegend nicht gedeckt werden kann. Lediglich Paare mit Kind(ern) können hier rechnerisch ausreichend vorsorgen.

Vorsorgelücke nach Anteil der AV-Ersparnis und Haushaltstyp, in Euro


20 %40 %60 %80 %100 %
alle Haushalte- 90- 2050130200
Alleinlebende-100 -50 050
100
Alleinerziehende-90 -70 - 60- 200
Paare ohne Kind- 130- 5020100
180
Paare mit Kind(ern)- 7030
130230330


Die Vorsorgelücke ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Anteil der Ersparnis, der für die private Altersvorsorge aufgewendet wird und dem jeweiligen Sparbedarf (rote Felder).

Übersteigt die Sparbemühung den Sparbedarf, wird ausreichend privat für die Rente vorgesorgt. Es wird angezeigt, um wie viel Euro der Sparbedarf nach den aktuellen Sparbemühungen übertroffen wird. In den meisten Fällen besteht keine Vorsorgelücke (grüne Felder). 

Vorsorgelücke nach Anteil der AV-Ersparnis und Haushaltstyp, in Euro


20 %40 %60 %80 %100 %
alle Haushalte
- 60- 50- 50- 40- 30
Alleinlebende
- 60
- 60
- 60
- 56
- 60
Alleinerziehende
- 70- 70- 70- 66
- 70
Paare ohne Kind
- 100
- 100- 100
- 96- 100
Paare mit Kind(ern)
- 70- 50- 30- 200


Die Vorsorgelücke ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Anteil der Ersparnis, der für die private Altersvorsorge aufgewendet wird und dem jeweiligen Sparbedarf (rote Felder).

Im 1. Quartil verfügen nicht alle Haushalte über ausreichende Einkommen, um überhaupt zu sparen. Sie "entsparen", d. h., ihre Ersparnis ist laut EVS negativ. In diesen Fällen wird der rechnerische Sparbedarf ausgewiesen (dunkelrote Felder).

Übersteigen die Sparbemühungen den Sparbedarf, wird ausreichend privat für die Rente vorgesorgt. Es wird angezeigt, um wie viel Euro der Sparbedarf nach den aktuellen Sparbemühungen übertroffen wird (grüne Felder). 

Vorsorgelücke nach Anteil der AV-Ersparnis und Haushaltstyp, in Euro


20 %40 %
60 %
80 %
100 %
alle Haushalte gesamt
- 110- 90- 80- 70- 50
Alleinlebende
- 90- 90- 80- 80- 80
Alleinerziehend- 90- 90- 90- 90- 90
Paare ohne Kind- 140- 120- 90- 70- 50
Paare mit Kind(ern)- 6020
90170250


Die Vorsorgelücke ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Anteil der Ersparnis, der für die private Altersvorsorge aufgewendet wird und dem jeweiligen Sparbedarf (rote Felder).

Übersteigt die Sparbemühung den Sparbedarf, wird ausreichend privat für die Rente vorgesorgt. Es wird angezeigt, um wie viel Euro der Sparbedarf nach den aktuellen Sparbemühungen übertroffen wird (grüne Felder).

Vorsorgelücke nach Anteil der AV-Ersparnis und Haushaltstyp, in Euro


20 %
40 %
60 %
80 %100 %
alle Haushalte
- 6050
150260370
Alleinlebend- 120- 80- 50- 2010
Alleinerziehend- 90- 60- 40- 1010
Paare ohne Kind- 120- 3070
160250
Paare mit Kind(ern)- 30120280430580


Die Vorsorgelücke ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Anteil der Ersparnis, der für die private Altersvorsorge aufgewendet wird und dem jeweiligen Sparbedarf (rote Felder).

Übersteigt die Sparbemühung den Sparbedarf, wird ausreichend privat für die Rente vorgesorgt. Es wird angezeigt, um wie viel Euro der Sparbedarf nach den aktuellen Sparbemühungen übertroffen wird (grüne Felder).

Vorsorgelücke nach Anteil der AV-Ersparnis und Haushaltstyp, in Euro


20 %
40 %60 %80 %100 %
alle Haushalte- 13030190360520
Alleinlebend- 10070
240410570
Alleinerziehend- 120- 501080
140
Paare ohne Kind- 300- 11090290480
Paare mit Kind(ern)- 14020
170330480


Die Vorsorgelücke ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Anteil der Ersparnis, der für die private Altersvorsorge aufgewendet wird und dem jeweiligen Sparbedarf (rote Felder).

Übersteigt die Sparbemühung den Sparbedarf, wird ausreichend privat für die Rente vorgesorgt. Es wird angezeigt, um wie viel Euro der Sparbedarf nach den aktuellen Sparbemühungen übertroffen wird (grüne Felder).

Vielen Haushalten fehlt der finanzielle Spielraum

Im 1. Einkommensquartil ist gemäß EVS in den betrachteten Haushalten kein finanzieller Spielraum für Altersvorsorge vorhanden. In dieser Gruppe übersteigt der Vorsorgebedarf die gesamte Ersparnis (mit Ausnahme Paare mit Kind(ern)). Die Haushalte müssen bereits einen kleinen Teil ihrer regelmäßigen monatlichen Ausgaben über außergewöhnliche Einnahmen wie beispielsweise Konsumentenkredite oder Verkäufe von Vermögenswerten bestreiten. Mit anderen Worten, rechnerisch können etwa 6,2 Mio. Haushalte (25 % aller betrachteten Haushalte) nicht aus eigener Kraft für das Alter vorsorgen.

Auch im 2. Einkommensquartil ist der finanzielle Spielraum von Alleinlebenden, Alleinerziehenden und Paaren ohne Kind noch zu gering, um die Altersvorsorgelücke schließen. Das heißt, auch hier reicht die gesamte Ersparnis der Haushalte nicht aus, um den Sparbedarf zu decken. Dies entspricht rechnerisch weiteren 4,75 Mio. Haushalten (19 % aller Haushalte), die über kein ausreichendes Sparpotenzial verfügen. Es ist allerdings zu beachten, dass auch innerhalb der Einkommensquartile die Einkommen variieren, was ggf. zu veränderten Sparbedarfen und -potenzialen führen kann.

Mittlere und obere Einkommen können ausreichend vorsorgen

Die Haushalte mit einer besseren Einkommenssituation und demnach insgesamt höherem Sparpotenzial könnten rechnerisch ihren Sparbedarf für Altersvorsorge decken, tun dies aber - unter der Annahme, dass nur ein Fünftel der Ersparnisse mit dem Ziel der Altersvorsorge angelegt werden - derzeit nicht. Hier gilt, sofern über Sachwerte wie Immobilien oder andere Geldanlagen ausreichend vorgesorgt wird, können diese Haushalte im Alter die reformbedingten Lücken in der gesetzlichen Rente ausgleichen. Andernfalls müssten diese Haushalte ihre Ersparnis neu priorisieren und höhere Anteil für die Altersvorsorge aufbringen, um das 55-Prozent-Ziel im Ruhestand zu erreichen.

[1] Die Ersparnis ergibt sich aus den Ausgaben für die Bildung von Geld- und Sachvermögen zuzüglich der Rückzahlung (Tilgung und Verzinsung) von Krediten abzüglich der Einnahmen aus der Auflösung von Geld- und Sachvermögen und aus Kreditaufnahmen abzüglich der Zinszahlungen für Baudarlehen und Konsumentenkredite. 

[2] Siehe dazu Deutsche Bundesbank (2019), S. 28/29.

Einnahmen und Ausgaben
weiterlesen